Die Anfänge
Es begann im Gewölbekeller bei meinen damaligen Cartellbrüdern
der KStV Thuringia Coburg während dieses Wochenendes Ende Oktober 1994.
Am Freitag, 28. 10. Fahrt von Bingen nach Ilmenau zu unseren Cartellbrüdern
der KTV Unitas Ilmenau / Kassel zu Ilmenau im TCV zur Remember-Kneipe. Das
ist der Termin, an dem sich die Unitas autonom im Jahr 1990 in Ilmenau
wiedergegründet hatte. Nach einem schönen und langen Abend fuhren
wir am Samstag gemeinsam nach Coburg zur Krambambuli-Kneipe. Ein wahrlich
denkwürdiger Abend - nicht nur wegen der hier erwähnten Saalefahrten.
Die Freundschaftsverbindung der Coburger Thuringen, die KÖStV Thuringia
Wien im MKV, sendet jedes Jahr ihren "Magister Krambambuli" nach Coburg um
nach einem alten und geheimen Rezept, welches natürlich nur vom Mund
des Magisters zum Ohr seines Schülers weitergegeben wird, eine Krambambuli
zu brauen, die es in sich hat. Nach zweieinhalb Runden enger, nein eigentlich
sehr enger Wendeltreppe vom Typ "Korkenzieher für Zwerge" abwärts
stand da unten so ein Geist oder sonst ein Fabelwesen und hat mir doch glatt
mt einem Tischbein oder Baseballschläger einen neuen Scheitel gezogen.
So oder so ähnlich kam es mir vor als ich das von Alkoholdunst durchflutete
Gewölbe betrat in dem die Kneipe stattfinden sollte. Ein Schnappen nach
frischer Luft war nicht möglich, da die Nachdrängenden die gleichen
Symptome zeigten wie ich - sofortige Kraftlosigkeit. Es war wie im
Gärkeller, Gott sei Dank aber mit deutlich mehr Sauerstoffanteil. Nach
2 Halben Bier und 2 weiteren Halben Krambambuli war wieder Bier angesagt,
da der Kessel mit dem "Zaubertrank" leer war. Nun saßen wir da, die
Ilmenauer und die Binger, und fingen an, das Kommersbuch des TCV abzusingen.
Ein Lied nach dem anderen - kreuz und quer - natürlich mit allen
Falschtexten und Zusatzstrophen die wir kannten. Als wir irgendwann dann
auch das "Fernmelderlied" anstimmten, eigentlich "Dort Saaleck, hier die
Rudelsburg" hörte ich aufmerksam zu. Die Melodie war mir unbekannt,
so wie allen aktiven Binger Studenten damals. Und aus Mangel an musikalisch
ausgebideten Korporierten in Bingen, die aus dieser mißlichen Lage
hätten heraushelfen können, wurde damals in Bingen die Melodie
der Geisterreiter verwendet (! ! !).
Was mich jedoch am meisten wunderte war die Tatsache, daß mein
Cartellbruder Hauzuwienix eisern versuchte beim Absingen des Liedes auf seinen
Beinen zu stehen. Außer zum Sitzen, bestenfalls noch Knieen war zu
diesem Zeitpunkt keiner von uns Sängern mehr fähig. Also fing er
nach dem Ende des Liedes an zu erklären, warum und wieso er sich bei
diesem Lied stellt.
Er saß in jenem Jahr (1994, der Autor) in einer Wanne und paddelte
darin die Saale hinab zur Rudelsburg. Als tapferer Aquanaut der Saale, dazu
Mitglied einer Verbindung der Rudelsburger Allianz und wackerer Kneipant
auf der Rudelsburg habe er dieses Lied im stehen abzusingen.
Und überhaupt hatte er viel Glück an der Burg angekommen zu sein
und nicht samt seiner Wanne unterwegs verlustig gegangen zu sein. Die habe
nämlich das ZDF im letzten Moment vor dem Sinken bewahrt, als er nach
einem Stop, bei dem er einen Entspannungssalamander gerieben hat, beim Einsteigen
in seine Wanne wohl eine falsche Bewegung gemacht habe, die ihn ins Wasser
und letzteres in übergroßer Menge in seine Wanne befördert
hatte. Eine reaktionsschnelle Hand eines Mitglieds des gerade dort befindlichen
ZDF-Kamera-Teams habe seine Wanne vor dem Abgleiten in tiefere Wasserschichten
der Saale gerade noch zurückhalten können. Als Erfolg des Ganzen
habe er sich dann auf dem Kommers fragen lassen müssen, warum er mit
Couleur im Jogging-Outfit an der Kneiptafel sitzte - sein Anzug war ja mit
ihm baden gegangen. An sich sei das ganze ja ein riesen Spektakel gewesen,
aber das ganze noch mal in der Wanne, das käme für ihn nicht mehr
in Frage. Wobei auf einem Floß . . .
Das käme dabei nämlich schwer auf das Gewicht an. Das Floß
der Bremer (Wehrschaft Normannia, der Autor) aus jenem Jahr sei so schwer
gewesen, daß die (Bremer) am Schluß mit ihrem schweren Ding (ihr
Floß) aus Maurerbohlen (auf Nachfrage in Bremen : Werftbohlen, der
Autor) einfach über die Wehre drüber seien und es (ihr Floß)
nicht mehr umgetragen haben. Also wenn wir da mitmachen, dann auf einem stabilen
aber leichten Floß.
Wir !
Schön.
Wir machen also mit.
Auf einem stabilen aber leichten Floß.
Aha !
Also nun saßen wir da im Kellergewölbe und ließen unsere Köpfe rauchen. Keiner mehr fähig eines aufrechten Ganges, aber ein Floß bauen wollen für ein halbes, vielleicht ein Dutzend Mann. Na dann mal los.
Dem Ingenieur ist nichts zu schwe(u)r !
Stabilität bedeutet immer Gewicht. Der Auftrieb von Holz ist auch nicht gerade überragend groß, also scheidet ein Floß aus soliden Balken oder Rundhölzern aus. Wir brauchen eine leichte aber stabile Plattform, z.B. aus Brettern oder (Span-)Platten mit so was wie Ölfässern oder Benzinkanistern für den Auftrieb drunter.
Ölfässer !
Benzinkanister !
Am besten gut gebraucht, besser noch mit unbekannten Reststoffen drin, die dann vom Saalewasser an undichten Stellen langsam herausgewaschen werden. Und wir treiben dann auf einem Floß inmitten, einer in Regenbogenfarben schillernden, Öllache. Nein, das geht gar nicht. Und umsonst bekommt man ungebrauchte Benzinkanister ja auch nicht, denn kosten darf das ja auch nix, so klamm wie man als Student halt ist. Und dazu das Transport- oder Organisationsproblem. Wo besorgt man sich das gane Material ? Wie karrt man es zum Start ? Was macht man damit nach dem Ende der Fahrt ?
Industriepaletten ! !
Größe : 1,2 m x 1,0 m x 0,2 m mit einem Gewicht von ca. 20 kg pro Stück.
Das sind Plattformen aus Brettern.
Stabil und leicht zugleich !
An und für sich gesehen zu klein für unseren Bedarf, aber 6
Stück, längs verbunden mit 3 langen Brettern, links, rechts und
in der Mitte - die Querverbindungen aus Gewindestab gefertigt, durch die
Palettenpfosten und die Bretter durchgesteckt und mit Muttern verschraubt
- das ergibt eine Floßplattform von 2,4 m x 3,0 m. Darunter
Kunststoffkanister befestigt für den Auftrieb. Zur Sicherheit noch ein
paar lange dünne Latten drunter, quasi als Gleitkufen. Das sollte doch
funktionieren.
Materialquelle : Das Weingut meiner Eltern. Dort gibt es die Paletten und
jede Menge leere Kunststoffkanister von der verwendeten Lebensmittelchemie.
Wenn welche fehlen - kein Problem : Beim Analyselabor, von dem wir das alles
beziehen, gibt es sicher noch welche zum Nulltarif.
Gewindestäbe und Muttern gibt's im Baumarkt für kleines Geld.
Dachlatten kosten auch nicht die Welt.
Ergo : Kosten - kaum der Rede wert.
Und die Wiederverwendbarkeit des verbauten Materials am Ende der Fahrt, ist
außer Frage möglich. Einzelne, defekte Kanister lassen sich Peu
a Peu, kleinteilig im gelben Sack entsorgen. Der Transport erfolgt mit einem
PKW-Anhänger.
Aufgabenteilung, so weit man das im Keller erledigen konnte : Die Binger
bauen und transportieren das Floß, die Ilmenauer organisieren die Teilnahme
an der Fahrt und den Eintritt zum Kommers. Die Probefahrt findet am
Pfingstwochenende in Bingen auf der Nahe statt. Dann hat man noch ein paar
Tage um die Kinderkrankheiten auszumerzen, die sich dabei zeigen. So weit
der Plan.
Das grundsätzliche Konzept, so waren wir uns sicher, wird unsere Erwartungen
und Anforderungen erfüllen. Noch schnell eine Skizze auf ein Blatt Papier
geworfen als Gedächtnisstütze und dann nur noch durch den
"Korkenzieher" raus aus diesem Loch und ab ins Bett.
Der Bau des Floßes gestaltete sich nicht viel schwerer als erwartet
und der Termin der Probefahrt rückte näher.
Da am Pfingstwochenende in Bingen drei Verbindungen ihr Stiftungsfest feiern,
eine davon mit Faben der Ilmenauer, war es nicht schwer die Cartellbrüder
aus Ilmenau zu einem Besuch in Bingen zu überreden. Gemeinsam besuchten
wir am Freitag einen Begrüßungsabend, bei der Verbindung, die
uns die Paddel lieh und an deren Bootsanleger die, für den Samstag
angesetzte Probefahrt, enden sollte. An besagtem Samstag Morgen besprachen
wir beim Frühstück den Tagesablauf, der in einem Chargiermaraton,
gekrönt von einem Ballbesuch, enden sollte.
Gibt's da auch Sekt ?
Natürlich gibt es da auch Sekt. Was für eine Frage.
. . .
Ja, ich bin mir sicher, daß es da auch Sekt geben wird.
. . .
Hast Du schon mal einen Couleurball mitgemacht, bei dem es an der Bar keinen
Sekt gab ?
So allmählich ging mir der liebe Cartellbruder Biber auf die Nerven mit seinem Sektdurst. So eisern er danach stocherte, war diese Fragerei aus seiner Sicht sicher nicht grundlos.
Ich fragte also seine Begleiter : "Sagt mal, habt ihr vielleicht vergessen, daß er heute Geburtstag hat oder so was ?"
- Leere, fragende Gesichter schauten sich einander an -
Na gut, keine Antwort ist auch eine Antwort - dann mal auf zur Probefahrt.
Das Verladen, Herumkutschieren und Entladen des Floßes auf dem
Mitfahrerparkplatz bei der "Blauen Lagune" in Büdesheim klappte ganz
gut. Beim Zusammenschrauben gab es erste Probleme. Die Gewindestäbe
waren nur so lang wie nötig angertigt. Wegen der verschiedenen
Ausführungen der Paletten waren diese auch unterschiedlich lang. Also
Achtung ! Verwechselungsgefahr !
So und wie bekommen wir das Floß über die Findlinge und den
Naheradwanderweg bis zum Ufer ? Tragen natürlich. Zu sechst kein all
zu großer Kraftaufwand bei knappen drei Zentnern Gewicht. Zum Schluß
noch einmal das Ding hochkant gestellt und mit einem großen Klatschen
vom Ufer aus auf das Wasser platschen lassen.
So ein Mist - das Ding sitzt auf Grund auf.
Dachten wir alle. Eintauchtiefe weniger als fünf Zentimeter und keine Anstalten abzutreiben ? Ein Stein im Wasser, auf dem das Floß aufliegen konnte war vor dem Wassern nicht zu erkennen gewesen - also Untiefe oder Sandbank oder so was. Da gibt es nur eins. Ich nahm am Ufer anlauf, sprang ab und traf ziemlich genau die Mitte des Floßes. Im nächsten Moment lag ich auf dem Rücken, umgeben von schallendem Gelächter. Das Floß war wie ein kugelgelagertes Brett unter meinen Füßen davongeglitten. Es lag gar nicht auf Grund auf sondern wie das sprichwörtliche . . .
Boah Eyhh ! W-a-s für ein B-r-e-t-t !
Im warsten Sinne des Wortes. Heute sagt man dazu wohl eher "voll porno" oder so, aber damals (1995) waren halt Manta-Fahrer-Witze angesagt. Also los - einer fährt das Auto zum Bootssteg an dem wir landen wollen, einer fotografiert vom Ufer aus und vier probieren mal aus, was der Kahn so aushält. Höchstgeschwindigkeitstest gegen die Strömung, Schieflagentest zu viert auf einer Seite, Aufschaukeltest, und was uns sonst noch so eingefallen ist. Alles klaglos bestanden. Das mit dem Brett auf dem Wasser hatte ich ja schon erwähnt - glaube ich jedenfalls. Die Testfahrer waren total begeistert, denn das Floß übertraf unsere Erwartungen in jeder Hinsicht. Auch das Anlanden, der Abbbau und das Verladen klappte einwandfrei. So langsam bekommt man ja Übung.
Also denn - Pellen für die drei Kommerse und dann nacheinander alle abchargiert, um schlieÃlich an der Bar im Foyer des Couleurballes zu enden. Dort gab es dann endlich den Sekt. Aber warum ?
Ich lag mit meiner Vermutung vom Frühstück goldrichtig. Es war sein 27. Geburtstag. Diesen Anlaà zu ehren wurde das Floà auf den Namen "SF Biber" getauft.
... Fortsetzung folgt